Württembergischer Landtag, Königreich Württemberg

Der Württembergische Landtag bestand gemäß der Württembergischen Verfassung vom 25. September 1819 aus zwei Kammern. Er hatte zunächst kein Recht auf Gesetzesinitiative. Zwar wirkte er an der Gesetzgebung mit, konnte aber kein Gesetz gegen den Willen des Königs verabschieden. Im Jahre 1873 erhielten die beiden Kammern das Recht zu Gesetzesinitiativen, allerdings waren Finanzgesetze ausgenommen.
Die Erste Kammer oder Kammer der Standesherren bestand aus den Prinzen des königlichen Hauses und den Familienoberhäuptern der fürstlichen und gräflichen Familien, die im Alten Reich über eine Reichs- oder Kreistagsstimme verfügt hatten. Dazu kamen vom König erblich oder auf Lebenszeit ernannte Mitglieder, wobei erstere nur aus den adeligen Gutsbesitzern, letztere allgemein aus den württembergischen Staatsbürgern auszuwählen waren.
Die Zweite Kammer oder Kammer der Abgeordneten bestand aus Vertretern der Ritterschaft, der Kirchen, der Universität Tübingen, der sieben sogenannten guten Städte Stuttgart, Ludwigsburg, Tübingen, Ellwangen, Ulm, Heilbronn und Reutlingen sowie der Oberämter.
Die Erste Kammer entwickelte sich bald zu einem konservativen Element im Verfassungssystem und stand in Opposition zur Zweiten Kammer. Mit der Zeit ging allerdings die Zahl der Prinzen und Standesherren, aber auch die der erblichen und der auf Lebenszeit ernannten Mitglieder immer weiter zurück. Daneben ließen sich die Standesherren und Prinzen gern bei den Sitzungen vertreten und die eigentliche Kommissionsarbeit oblag fast ausschließlich den auf Lebenszeit Berufenen.
Die lange Zeit geforderte Reform dieses Systems gelang erst 1906. Die Zweite Kammer bestand nun nur noch aus Vertretern der Oberämter, der guten Städte und der zwei neu geschaffenen Landeswahlkreise. Die Privilegierten saßen nun in der Ersten Kammer. Neu dazu kamen fünf berufsständische Mitglieder. Die Erste Kammer wurde so zu einer Art Senat von Geburts-, Amts- und Berufsprivilegierten aus verschiedenen sozialen Schichten. Nach der Novemberrevolution 1918 entfiel die Erste Kammer ersatzlos.
Literatur
CORDES, Günter, Württembergischer Landtag bis 1918, in: Von der Ständeversammlung zum demokratischen Parlament. Die Geschichte der Volksvertretungen in Baden-Württemberg, Stuttgart 1982, S. 123-152.
MANN, Bernhard, Württemberg 1800 bis 1866, in: SCHAAB, Meinrad / SCHWARZMAIER, Hansmartin (Hg.), Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 3: Vom Ende des alten Reiches bis zum Ende der Monarchien, Stuttgart 1992, S. 235-332.
NAUJOKS, Eberhard, Württemberg 1864 bis 1918, in: SCHAAB, Meinrad / SCHWARZMAIER, Hansmartin (Hg.), Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 3: Vom Ende des alten Reiches bis zum Ende der Monarchien, Stuttgart 1992, S. 333-432.
Empfohlene Zitierweise
Württembergischer Landtag, Königreich Württemberg, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 25056, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/25056. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 10.03.2014.
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