Rundschreiben zur deutschen Universitätstheologie vom 9. Oktober 1921

Das Rundschreiben "Ad Germaniae Archiepiscopos et Episcopos. De Clericis instituendis", das die römische Studienkongregation am 9. Oktober 1921 an die deutschen Bischöfe richtete, stellte ein Instrument zur Angleichung der deutschen Theologenausbildung an die römischen Verhältnisse dar. Es war der bisher stärkste Eingriff des Heiligen Stuhls in die theologische Wissenschaft in Deutschland.
Dem Rundschreiben oder Geheimerlass waren Nachforschungen Pacellis über den Status quo an den Katholisch-Theologischen Fakultäten und Lyzeen vorausgegangen, zu denen er bereits bei seinem Amtsantritt als Nuntius in München 1917 verpflichtet worden war. Die Hauptsorge der Studienkongregation lag darin, dass im Deutschen Reich die Ausbildung der Priesterseminaristen an den staatlichen Einrichtungen (Katholisch-Theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten bzw. Philosophisch-Theologische Lyzeen) nicht den römischen Vorstellungen entsprach. Man wollte auf diesem Gebiet den Einfluss des Staates so weit wie möglich eindämmen.
Pacelli verfasste einen Generalbericht über die Lage der Theologie in Deutschland ( Dokument Nr. 3420), der der Plenarkongregation der Studienkongregation am 22. Februar 1921 vorgelegt wurde. Darin sprach er sechs zentrale Punkte an, die gleichzeitig die Gliederung des späteren Erlasses widerspiegeln: Verlängerung der Studiendauer, Studium der Philosophie an deutschen Universitäten, Seminarübungen und scholastische Disputationen, Gebrauch der lateinischen Sprache, spekulative und positive Theologie sowie Studium der Dogmatik.
Der Geheimerlass stellte entgegen der zum Teil diplomatisch gehaltenen Empfehlungen Pacellis Maximalforderungen an die deutschen Bischöfe, die im Vorfeld versucht hatten, mit einer Denkschrift vom 17. November 1920 die Entscheidung der Studienkongregation abzumildern (Dokument Nr. 788). Die Studienkongregation beharrte auf einem sechsjährigen Studium bestehend aus einem zweijährigen philosophischen Propädeutikum und einem vierjährigen Theologiestudium. Als philosophische Grundlage sollte die scholastische Philosophie des Thomas von Aquin gelehrt werden. Anstelle der an deutschen Universitäten üblichen Seminarübungen sollte an der scholastischen Disputation als Unterrichtsform festgehalten werden. Es sollte auf gute Lateinkenntnisse der Studienanfänger geachtet und zumindest in Philosophie und systematischer Theologie auf Latein gelehrt werden. Der spekulativen Theologie wurde eindeutig der Vorrang gegeben, indem die Dogmatik an die Spitze der Disziplinen gestellt wurde. In ihr sollte gemäß der Neuscholastik die Lehre des Thomas von Aquin als Basis dienen. Die biblische Exegese und die Kirchengeschichte als Teile der positiven Theologie wurden strikt auf den neuscholastischen Offenbarungs- bzw. Kirchenbegriff verpflichtet, die moderne, historisch-kritische Herangehensweisen ausschlossen.
Das Rundschreiben blieb auf Betreiben Pacellis geheim, da er bei seiner Veröffentlichung eine starke Belastung für die Konkordatsverhandlungen mit Bayern befürchtete. Er bemühte sich in der Folgezeit aus Rücksicht auf die Lage der Kirche in Deutschland um eine maßvolle Umsetzung der römischen Maximalforderungen.
Quellen
Rundschreiben Bisletis "Ad Germaniae Archiepiscopos et Episcopos. De Clericis instituendis" vom 9. Oktober 1921; Dokument 11986.
Literatur
UNTERBURGER, Klaus, Vom Lehramt der Theologen zum Lehramt der Päpste? Pius XI., die Apostolische Konstitution "Deus scientiarum Dominus" und die Reform der Universitätstheologie, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 2010, S. 266-291.
Empfohlene Zitierweise
Rundschreiben zur deutschen Universitätstheologie vom 9. Oktober 1921, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 322, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/322. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 16.12.2013.
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