Deutsche Zentrumspartei in Baden

Die Geschichte der badischen Zentrumspartei begann mit der Gründung der "Katholischen Volkspartei" Badens 1869. Sie war eine Reaktion auf die Dominanz der Nationalliberalen seit dem Scheitern des Konkordats von 1859, deren liberale Kirchenpolitik im badischen Kulturkampf gipfelte. Nach anfänglichen Erfolgen kam es aufgrund mangelnder Fortschritte auf dem kirchenpolitischen Feld und der Uneinigkeit über die politische Taktik bald zu einem Niedergang der "Katholischen Volkspartei". Aus diesem Grund wurde die Partei 1888 unter dem Namen "Badische Zentrumspartei" reorganisiert. Sie trat insbesondere für die Rücknahme der Kulturkampfgesetzgebung ein, setzte sich aber auch für demokratische Reformen wie das direkte Wahlrecht ein. Das Wahlmännersystem fiel 1903/04 tatsächlich, die Kulturkampfgesetzgebung wurde dagegen kaum abgeschwächt. Dies hing damit zusammen, dass das neue Wahlrecht dem Zentrum zwar Wahlerfolge bescherte, doch schlossen sich Nationalliberale, Demokraten und Sozialdemokraten zum sogenannten "Großblock" zusammen, um den Einfluss der Zentrums einzudämmen. Erst im Ersten Weltkrieg kam es nach dem Vorbild der Reichsebene auch in Baden seit 1916 zu einer Zusammenarbeit zwischen Zentrum, Sozialdemokratie und Liberalen.
Nach der Novemberrevolution 1918 amtierte die Weimarer Koalition in Baden von 1919 bis 1929, eine Regierung von SPD und Zentrum sogar bis 1932. Grundlage dafür waren Stimmenanteile bei den Landtagswahlen von stets ca. 36 Prozent. Der badische Landesverband des Zentrums war auch auf Reichsebene einflussreich. Er stellte mit Konstantin Fehrenbach und Joseph Wirth sogar zwei Reichskanzler.
Innerhalb der Weimarer Koalition gab es insbesondere in der Schulfrage Konflikte. Das Zentrum wollte die seit 1876 bestehende Simultanschulreglung beseitigen und zugunsten der Errichtung von Bekenntnisschulen ändern, SPD und DDP lehnten dies ab. In Baden grenzte sich die Zentrumspartei anderseits von den Nationalliberalen und vor allem von den Deutschnationalen ab. Verhandlungen über ein Konkordat zwischen badischem Staat und katholischer Kirche, auf die der Heilige Stuhl drängte, kamen wegen des mangelnden Interesses der Zentrumspartei und Erzbischof Karl Fritz‘ lange nicht zustande. Dies änderte sich erst Anfang der 1930er Jahre. Am Konkordat von 1932 zerbrach dann aber die Koalition mit den Sozialdemokraten.

Beteiligung an Landesregierungen 1918-1933
Kabinett Ministerposten
Provisorische Regierung – Kabinett Geiß I (10. November 1918 bis 1. April 1919) Finanzen (Joseph Wirth), Ernährung (Gustav Trunk)
Kabinett Geiß II (2. April 1919 bis 14. August 1920) Justiz (Gustav Trunk), Finanzen (Joseph Wirth)
Kabinett Trunk I (14. August 1920 bis 22. November 1921) Staatspräsident, Justiz (Gustav Trunk), Finanzen (Heinrich Köhler)
Kabinett Hummel (23. November 1921 bis 23. November 1922) Justiz (Gustav Trunk), Finanzen (Heinrich Köhler)
Kabinett Remmele I (23. November 1922 bis 23. November 1923) Justiz (Gustav Trunk), Finanzen (Heinrich Köhler)
Kabinett Köhler I (23. November 1923 bis 23. November 1924) Staatspräsident, Finanzen (Heinrich Köhler), Justiz (Gustav Trunk)
Kabinett Hellpach (23. November 1924 bis 23. November 1925) Justiz (Gustav Trunk), Finanzen (Heinrich Köhler)
Kabinett Trunk II (23. November 1925 bis 23. November 1926) Staatspräsident, Justiz (Gustav Trunk), Finanzen (Heinrich Köhler)
Kabinett Köhler II (23. November 1926 bis 7. Februar 1927) Staatspräsident, Finanzen (Heinrich Köhler, bis 28. Januar 1927), Justiz (Gustav Trunk)
Kabinett Trunk III (3. Februar 1927 bis 23. November 1927) Staatspräsident, Justiz (Gustav Trunk), Finanzen (Josef Schmitt)
Kabinett Remmele II (23. November 1927 bis 23. November 1928) Justiz (Gustav Trunk), Finanzen (Josef Schmitt)
Kabinett Schmitt I (23. November 1928 bis 20. November 1929) Staatspräsident, Finanzen (Josef Schmitt), Justiz (Gustav Trunk)
Kabinett Schmitt II (21. November 1929 bis 20. November 1930) Staatspräsident, Finanzen (Josef Schmitt), Inneres (Josef Wittemann)
Kabinett Wittemann (20. November 1930 bis 10. September 1931) Staatspräsident (Josef Wittemann), Inneres (Josef Wittemann, bis 26. Juni 1931), Justiz (Josef Wittemann, ab 26. Juni 1931, Finanzen (Josef Schmiit, bis 26. Juni 1931), Kultus/Unterricht (Josef Schmitt, ab 26. Juni 1931)
Kabinett Schmitt III (18. September 19231 bis 10. März 1933) Staatspräsident, Justiz (Josef Schmitt), Kultus/Unterricht (Eugen Baumgartner)
Literatur
BRAUN, Michael, Der Badische Landtag 1918-1933 (Handbuch der Geschichte des deutschen Parlamentarismus), Düsseldorf 2009.
FALTER, Jürgen / LINDENBERGER, Thomas / SCHUMANN, Siegfried, Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten 1919-1933 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1986, S. 90.
FURTWÄNGLER, Martin (Bearb.), Ministerlisten, in: SCHWARZMAIER, Hansmartin / TADDEY, Gerhard (Hg.), Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 5: Wirtschafts- und Sozialgeschichte seit 1918 – Übersichten und Materialien – Gesamtregister (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg), Stuttgart 2007, S. 479-513, hier 483-486.
MERZ, Hans-Georg, Katholische und evangelische Parteien in Baden seit dem 19. Jahrhundert, in: WEINACHT, Paul-Ludwig (Hg.), Die CDU in Baden-Württemberg und ihre Geschichte (Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs 2), Stuttgart u. a. 1978, S. 33-62.
VIAF: 140269789
Empfohlene Zitierweise
Deutsche Zentrumspartei in Baden, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 9052, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/9052. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 18.09.2015, letzte Änderung am 20.01.2020.
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