Dokument-Nr. 13652
Dominik, Josef an Fournelle, Heinrich
Eisenberg, 02. Oktober 1919

Abschrift.
Sehr verehrter Herr Generalsekretär!
Dieses Los der Vereinsmüdigkeit während und nach Ende des Krieges teilten ja unzählige andere Unternehmungen solcher Art. Vorstände und Vorsitzende wurden häufig genug von solcher Stimmung angesteckt, zumal wenn wie bei mir Ueberlastung mit Kriegsarbeit, vor allem Vertretungen in Verwaltungen und Kassenführung (19!) hinzukamen.
Doch der Haupt-Totengräber, und zwar bewusst und absichtlich, unserer Verbandssache und damit zahlreicher Verbandsvereine war und ist - unser Bischof! Man braucht meines Empfindens das gar nicht schüchtern mehr und versteckt auszusprechen, da die Herren Bischöfe, anscheinend sich ihrer zweifelhaften Erfolge auf diesem Gebiete lieber rühmen hören und ihre Freude daran haben dürften! "Es ist erreicht!" können sie vielleicht bald froh ausrufen, nämlich die Erdrosselung der katholischen Gewerkschaftsbewegung, im gehorsamen Anschlusse and den hl. Stuhl, der – ihre Förderung mit allen Mitteln befahl! Obedientia et reverentia
Hätte wenigstens unser Bischof, leider der schuldbeladenste der hohen Herrschaften, bei seinem Einfluss, seiner Riesendiözese, der gerade im Osten blühenden Berliner Sache – wenigstens in mehreren Bezirken war Ausbreitung und Wirksamkeit, auch im gewerkschaftlichen Leben, grossartig und vielversprechend, – die Sache gefördert, sie gelobt, uns ermuntert, die ohne böse Absicht schwankenden und darum nichts unternehmenden Pfarrer einfach auf Berlin hingewiesen, dann wäre unsere Bewegung, auch gerade nach dem Kriege, riesengross gewachsen und hätte dann eben auch auf wirtschaftlichem Gebiete, als weitverzweigter, machtvoller Baum auch kleine Zweige, wie Mallmitz u. a., belebend und stärkend, überall Erfolge gewirkt zugunsten der Arbeiter.
1v

Jetzt aber wird heuchlerisch und höhnisch der Spiess umgedreht und gesagt: Tretet denen bei, die euch auch wirtschaftlich helfen können! Vorher und bisher aber hat man uns das durch Niederhalten erschwert und unmöglich gemacht, Roms Feinde dagegen, die nur geduldeten sog. Christl. Gew. feste und unverblümt verhätschelt, empfohlen! Bischof und sog. kath. Zentrumspresse, vor allem Schles. Vzt. , Hand in Hand, trotz aller Ablengnungsversuche [sic]!
Indes was mich betrifft, mag man über Hineinbeziehung des Wirtschaftlichen ins sittlich-religiöse Gebiet sich entscheiden wie man will - für die sog. Christlichen keinen Finger je gerührt! Nach 15 Jahren Berliner Tätigkeit in Stadt und Land "bekehre" ich mich nicht, pfeife auch auf sog. "Verschmelzungsversuche" (!?)! Höchstens Arbeitsgemeinschaft - falls die sog. Christlichen diese gnädigst einmal gestatten. Sonst organisiert euch getrost bei den Roten; deren Wirtschaftsprogramm ist ja genau wie das sog. christliche Gewerkschaftsideal, und im übrigen bleibt katholisch und im kath. Arbeiterverein (vgl. England!) Bei uns läuft in der Tat alles den Roten nach; soweit die "armen" Arbeiter es noch nötig haben, auch gewerkschaftlich. - Vorläufig warte ich indes noch die Weisungen des Verbandes, der hoffentlich doch in Rom sich beschwert, ab und spreche Ihnen, verehrter Herr G. S. in Ihrem niederträchtig erschwerten Wirken, Treue und Sympathie aus.
Mit verehrungsvollem Grusse Ihr ergebener
Gez. Dominik, Pfarrer.
Dieses Schreiben ist eine Anlage zu Dokument Nr. 13017.
1Seitenzählung von den Editoren eingefügt.
Empfohlene Zitierweise
Dominik, Josef an Fournelle, Heinrich vom 02. Oktober 1919, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13652, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13652. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 23.07.2014, letzte Änderung am 23.02.2017.