Dokument-Nr. 13657

KerberBerg: [Kein Betreff]. Berlin, 12. Juli 1922

Abschrift
Im Namen des Volkes!
In Sachen
des Lizentiaten Heinrich Fournelle in Berlin, Hufelandstr. 18, Klägers, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Rudolf Byk, Berlin W. 8, Mohrenstr. 9,
Gegen
den nicht rechtsfähigen Verein, Verband der Katholischen Arbeitervereine, Sitz Berlin, in Berlin, C. 25, Kaiserstrasse 37,
Beklagten,
Prozessvollmächtigter [sic]: Rechtsanwalt Dr. Franz Velder, Berlin, W. 9.
Potsdamerstrasse 9,
wegen Anspruchs auf Pension
hat die 21. Zivilkammer des Landgerichts I in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 1922 unter Mitwirkung der Landgerichtsräte Kerber und Zademach und des Gerichtsassessors Dr. Bork
für Recht erkannt:
Der Anspruch des Klägers ist, soweit er die Pension betrifft, dem Grunde nach gerechtfertigt.
Tatbestand.
Der Kläger bekleidete während der Dauer von 19. Jahren die Stellung eines Generalsekretärs bei dem Beklagten, einer katholischen Arbeiterorganisation. Er ist im Jahre 1920 aus dieser Stellung ausgeschieden.
Er behauptet, es sei ihm von dem Beklagten für den Fall seines Ausscheidens eine Pension versprochen worden und zwar diejenige eines Bürgermeisters einer mittleren Stadt.
Die Pensionsberechtigung sei ihm in der Bezirkspräsideskonferenz vom 9. März 1915 zugesprochen worden. Das Protokoll über diese Konferenz enthielte auch ausdrücklich die Worte: Zum Gehalt des Herrn Ge-
2
neralsekretärs wird ein Wohnungsgeldzuschuss von 1000 Mark, sowie eine Pensionsberechtigung gewährt. Dieser Beschluss sei ihm mitgeteilt worden. Er habe sich damit einverstanden erklärt.
Die Pensionsberechtigung sei ihm bedingungslos für den Fall seines Ausscheidens zugesagt worden, gleichgültig, ob das Ausscheiden freiwillig erfolge, und auch nicht etwa nur für den Fall der Altersversorgung oder Invalidität.
Da nach § 12 der Satzung des Beklagten der Verband, vertreten durch seinen Vorstand, das Gehalt zu gewähren hatte, so habe noch im April 1915 eine Vorstandssitzung stattgefunden, auf der wiederum dieser Beschluss der Gewährung der Pensionsberechtigung an ihn protokolliert worden sei und zwar in seiner Abwesenheit.
Der Bürgermeister einer mittleren preussischen Stadt habe nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen eine Pension von 15.000 Mk. jährlich zu beanspruchen. Dieser Betrag sei auch nach § 612 Abs.2 BOB als üblich und angemessen gerechtfertigt. Gefordert werde die Pension für die Zeit vom 1. Januar 1921 bis 30. Juni mit 22.500 Mk.
Weiterhin verlangt der Kläger von der Beklagten Ersatz der in der hiermit in bezug genommenen Klageschrift (B1.2, 2R, d.A.) aufgeführten Aufwendungen im Gesamtbetrage von 735,82 Mk, die ihm anlässlich eines Beleidigungsprozesses des früheren Sekretärs des Beklagten Dr. Fleicher gegen ihn erwachsen seien.
Er behauptet, der Beklagte habe sich mit der Tragung der Kosten einverstanden erklärt, aber auch ohnedies sei der Beklagte zur Zahlung der Kosten verpflichtet, da es eine Angelegenheit sei, die durch seine Amtsführung für den Beklagten entstanden sei.
Insgesamt fordert Kläger 22.500 Mk + 735,82 Mk-23.235,82 Mk.
Er beantragt
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 23.235,82 Mk nebst 5% Zinsen von 3.750 Mk seit dem 31. März 1921, von weiteren 4.485,82 Mk seit dem 30. Juni 1921, von weiteren 3.750 Mk seit dem 30. September 1921, von weiteren 3.750 Mk seit dem 31. Dezember 1921 von weiteren
3
3.750 seit dem 31. März 1922 und von weiteren 3.750 Mk seit dem 30. Juni 1922 zu zahlen und das Urteil, soweit erforderlich, gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Der Beklagte bittet um Abweisung der Klage.
Er bestreitet die Pensionsberechtigung des Beklagten dem Grunde und der Höhe nach. Nach seiner Behauptung wäre eine solche nach dem Willen des Vorstandes nur für den Fall der Altersversorgung oder Invalidität des Klägers in Frage gekommen. Diese Voraussetzungen wären nicht gegeben, weil der Kläger aus seiner Stellung habe ausscheiden müssen, infolge in seiner Person liegenden Gründen, da der Fürstbischof von Breslau, der dem Kläger gegenüber des Bestätigungsrecht hätte, nicht länger mit ihm habe zusammenarbeiten wollen.
Weiterhin sei die Pensionsgewährung ein Leibrentenversprechen und deshalb mangels schriftlicher Form rechtsunwirksam. Auch wäre ein bindender Vertrag deshalb nicht zustande gekommen, da über die Höhe der Pension nichts bestimmt worden sei.
Betreffs der Prozesskosten bestreitet der Beklagte seine Verpflichtung, er stellt auch in Abrede, dass sie durch die Amtsführung des Klägers für den Beklagten entstanden seien.
Der Kläger behauptet gegenüber dem Standpunkte des Beklagten, dass die Pension nur für den Fall einer Altersversorgung oder Invalidität versprochen sei, dass, als der Grund seines Austritts bekannt geworden sei, der Vorstand ihm noch ausdrücklich bestätigt habe, dass ihm der Anspruch auf die Pensionsberechtigung zustehe.
Es ist Beweis erhoben worden nach Massgabe des Beschlusses vom 17.12.21. (Bl. 25r, 26 d. A.) für sein Ergebnis, dass von den Parteien vorgetragen ist, wird auf die Protokolle vom 20.3.22. (Bl. 38 d.A.) und 11.5.22. (Bl. 48,49 d.A.) verwiesen.
Der Beklagte hat seine Satzung (Bl. 6,7 d.A.), der Kläger einen Zettel mit Notizen (Bl. 14,15 d.A.) und eine Abschrift des Protokolles der Bezirkspräsides Konferenz vom 9. März 1915 in Berlin (Bl. 46, 47 d.A.) überreicht. Ferner lagen die Akten Fleischer gegen Fournelle des Amtsge-
4
richts Berlin - Mitte 147.743.19 vor. Die Parteien haben diese zum Gegenstand der Verhandlung gemacht.
Für das Vorbringen der Parteien im einzelnen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze vom 5.11.21. (Bl. 1 d.A.), 29.11.21. (Bl. 3 ff d.A.) und 6.12.21 (Bl. 10 ff, d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist dem Kläger sowohl auf der Bezirks-Präsidenkonferenz am 9. März 1915 als auch in der Vorstandssitzung am 26. April 1915 durch Beschluss die Pensionsberechtigung zugestanden und dieser Beschluss ist zu Protokoll gegeben worden.
Die Parteien streiten darüber, ob die Pensionsberechtigung dem Kläger nur für den Fall seiner Altersversorgung oder Invalidität, wie der Beklagte behauptet, oder sich schlechthin bei seinem Ausscheiden aus seiner Stellung eines Generalsekretärs des Beklagten, wie der Kläger anführt, zustehen sollte.
Die Beweisaufnahme hat die Behauptung des Klägers bestätigt. Wie die Zeugen Pfarrer Beyer und Dr. Fleischer übereinstimmend bekunden, ist in des Bezirks. Präsideskonferenz am 9. März 1915 die Pensionsgewährung von keiner Bedingung, insbesondere nicht von der Altersversorgung oder Invalidität des Klägers abhängig gemacht worden. Wie der Zeuge Beyer weiter angibt, war für die Konferenz das Motiv für die Gewährung einer Pension an den Kläger die [Erwägung], dass der Kläger mit seiner damals neu beginnenden Amtsperiode von fünf Jahren nicht mehr genügend die Möglichkeit finden könnte, eine seinen Ansprüchen angemessene Stellung zu erhalten. Der Zeuge Beyer bestätigt auch ferner, dass dem Kläger am Tage seines Ausscheidens am 29.10.1919 ausdrücklich vor Vorstande des Beklagten zugesagt sei, dass er Anspruch auf Pensionsberechtigung habe.
Die Beweisaufnahme hat demnach ergeben, dass dem Kläger seitens des Beklagten die Pensionsberechtigung gewährt ist, ohne das [sic] diese von irgend einer Bedingung abhängig gemacht worden ist, also für den Fall des Ausscheidens des Klägers aus seiner Stellung schlechthin. Es bleibt hierbei noch zu erwägen ob nicht der Pensionsanspruch dadurch verwirkt ist,
5
dass der Kläger seine Stellung aufgeben musste, weil er angeblich in seiner Person liegenden Gründen vom Fürstbischof vom Breslau nicht bestätigt worden ist. Denn die Pensionsgewährung kann nur dahin aufgefasst werden, dass der Kläger das Ausscheiden aus seiner Stellung nicht verschuldet hat. Für die Annahme des Vorliegens eines Verschuldens des Klägers hat aber die Verhandlung einen Anhalt nicht gewährt.
Was das Vorbringen des Beklagten bezüglich des Erfordernisses der Schriftform für die Pensionsgewährung anlangt, so ist ihre Wirksamkeit nicht von einer solchen abhängig zu erachten. Das Pensionsversprechen ist kein Leibrentenvertrag im Sinne § 761 BGB, sondern ein Entgelt für die Dienste des Klägers und deshalb ein Bestandteil und eine Erweiterung des Dienstvertrages zwischen den Parteien (so BGB Kommentar Bem.5 zu §761)
Was die Höhe der Pension anlangt, so ist allerdings, wie die Zeugen Beyer und Dr. Fleischer bestätigen, hierfür weder in der Bezirks. Präsideskonferenz am 9.III.1915 noch in der Vorstandssitzung am 26.IV.15. gesprochen worden, insbesondere nicht davon, dass der Kläger die Pension eines Bürgermeisters einer mittleren Stadt erhalten sollte. Daraus folgt aber nicht, dass der Kläger nun keinerlei Anspruch auf Pension hat. Das aber das Pensionsversprechen an Kläger in den genannten Sitzungen nur ein unverbindliches Inaussichtstellen des späteren Abschlusses eines Pensionsvertrages sein sollte, ist weder aus den Zeugenaussagen noch aus dem Vertrage des Beklagten zu entnehmen. Wenn eine bestimmte Vereinbarung über die Höhe der Pension nicht getroffen worden ist, so ist dem Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und unter Analoger Anwendung des § 612 Abs. BGB. die übliche und angemessene Pension zuzusprechen.
Ein Massstab für die Höhe der Pension kann aber nur unter Berücksichtigung der Zeitdauer der Tätigkeit des Klägers für den Beklagten und insbesondere der Höhe des von ihm bezogenen Gehalts gewonnen werden. Da der Anwalt des Klägers über die Höhe des Gehalts in der Schlussverhandlung auf Befragen des Gerichts keine Erklärungen abgeben konnte, die Höhe des vom Kläger bezogenen Gehalts jedenfalls zwischen den
6
Parteien noch streitig ist, und jedenfalls eine weitere Verhandlung über die Höhe des Pensionsanspruchs erforderlich ist, der Anspruch des Klägers aber dem Grunde nach gerechtfertigt ist, hat das Gericht gemäss § 303 über den Grund und zwar allein bezüglich der Pensionsberechtigung vorab entschieden.
Ueber die Frage der Verpflichtung des Beklagten zur Tragung der Prozesskosten, die vom Beklagten auch in der liquidierten Höhe bestritten sind, bedarf es noch näherer Darlegung seitens des Klägers insbesondere nach der Angabe von Beweismitteln, sodass insoweit eine Entscheidung noch nicht gefällt werden konnte.
Bei der Natur des Urteils als eines Zwischenurteils war die Entscheidung über die Kosten des Endurteils vorzubehalten.
gez. Kerber
Berg.
Ausgefertigt Berlin, den 15. August 1922.
Gerichtsschreiber des Landgerichts I.
Dieses Schreiben ist eine Anlage zu Dokument Nr. 13017.
Empfohlene Zitierweise
Kerber, [Kein Betreff], Berlin vom 12. Juli 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13657, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13657. Letzter Zugriff am: 28.04.2024.
Online seit 23.07.2014, letzte Änderung am 01.09.2016.