Dokument-Nr. 18758

Warum wehren wir uns gegen das römische Konkordat?, in: Der Reichsbote, Nr. 52, 03. März 1927
Wenn wir uns gegen das römische Konkordat wehren, wehren wir uns gegen den Papst.
Wir danken es D. Martin Luther, daß er den Anspruch des Papstes, der Stellvertreter Christi auf Erden zu sein, mit den Waffen der Heiligen Schrift ein für allemal zerschlagen hat.
Wir lehnen also jegliche Forderung, die der Papst etwa im Namen des Christentums erhebt, als der urchristlichen Legitimation entbehrend rundweg ab.
Ist aber der Papst keine – im urchristlichen Sinne – religiöse Potenz, so bleibt nur übrig, ihn als politischen, und zwar von Deutschland aus gesehen, als außenpolitischen Faktor zu werten.
Obwohl der Papst für das Deutsche Reich und für Preußen eine außenpolitische Größe ist, versucht er dennoch mittels des Konkordats auf innerdeutsche bzw. innerpreußische Angelegenheiten maßgebenden Einfluß zu gewinnen.
Und dies, obwohl Deutschland sowie Preußen der überwiegenden Mehrheit seiner Bevölkerung nach evangelisch ist!
Da das Konkordat als ein Vertrag mit völkerrechtlicher Geltung anzusehen ist, verankert der Papst damit seine Machtstellung in Deutschland und Preußen auf eine Weise, die sowohl für die Reichs- bzw. Staatshoheit im allgemeinen wie für das Bewußtsein der evangelischen Bevölkerung im besonderen unerträglich ist.
Ueberdies findet eine direkte Benachteiligung der evangelischen Mehrheit der Bevölkerung statt, insofern
die von ihr aufgebrachten Steuermittel zur vorzugsweisen Befriedigung römischer Wünsche herangezogen werden müssen,
die evangelischen Interessen am Reichsschulgesetz hinter die im Konkordat bereits befriedigten römischen zustehen kommen,
möglicherweise das geltende Eherecht von römischen Rechtsanschauungen her aufs stärkste gefährdet wird.

Will der Papst im Ernst zum konfessionellen Frieden in Deutschland bzw. Preußen beitragen, so soll er auf den Vertragsschluß in Form eines Konkordats mit völkerrechtlicher Geltung verzichten und die deutschen Bischöfe anweisen, auf dem Boden der deutschen reichs- bzw. staatsgesetzlichen Möglichkeiten die römisch-katholischen Belange sichern zu lassen.
Wir fordern daher gleiches Recht für Evangelische und Katholiken im deutschen Vaterland und erwarten von den Parlamenten, daß sie einem römischen Vorzugsrecht die Zustimmung verweigern.
Beharrt aber der Papst, indem er durch seinen Nuntius, sei es im Reich oder in Preußen, das Konkordat weiter betreiben läßt, auf dem politischen Machtstandpunkt, so erblicken wir darin den unzweideutigen Ausdruck seines Willens, dem katholische Volksteil Deutschlands eine bevorrechtete Stellung zu verschaffen: ein Unterfangen, dessen Auswirkung das Gesamtgefüge unserer ohnehin schon schwer bedrängten Nation aufs unheilvollste erschüttern muß.
Da das Konkordat als Bestandteil der im vollen Gange befindlichen Gegenreformation angeschaut werden muß, geht an alle evangelischen Deutschen der Ruf:
Tretet auf die Zinnen!
Bewahrt das Deutschland D. Martin Luthers!

Gemeinden, Körperschaften, Vereine, Bünde und Organisationen, die mit vorstehenden Sätzen einverstanden sind, wollen ihre Zustimmung schriftlich der Hauptgeschäftsstelle "Lutherring", Berlin SW. 11, Bernburger Straße 12III (Fernsprechanschluß Nollendorf 7900), mitteilen.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 03. März 1927, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 18758, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/18758. Letzter Zugriff am: 03.05.2024.
Online seit 25.02.2019.