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Der Anlass für den Zerfall der habsburgischen Monarchie (österreichische Monarchie)
war der Erste Weltkrieg. Ursächlich waren jedoch auch die sozialen und politischen
Verhältnisse, die zum Weltkrieg geführt hatten. Die bestenfalls geringe Integration der
unterschiedlichen Volksgruppen innerhalb des österreichisch-ungarischen Reichs und die
mangelhafte Koordination der Verwaltung hatten die Monarchie so weit ausgehöhlt, dass sie
dem Druck äußerer Kräfte nicht mehr standhalten konnte. Die reichsimmanenten zentrifugalen
Kräfte gewannen an Stärke. Die verschiedenen ethnischen Gruppen innerhalb des Reichsgebietes
(Ungarn, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Kroaten, Rumänen, Polen, Ukrainer, Italiener, Serben
u.a.) strebten nach nationaler Unabhängigkeit. Auf politischer Ebene verstärkte 1908 die
völlige Annexion Bosnien-Herzegowinas die Antipathien Russlands gegen Österreich-Ungarn und
führte gleichzeitig mittelfristig zum Ausbruch der Balkankriege 1912/1913, aus denen Serbien
gestärkt, die kaiserlich-königliche Monarchie hingegen geschwächt hervorging. In
wirtschaftlicher Hinsicht hinkte das österreichisch-ungarische dem Deutschen Reich und den
übrigen westlichen Mächten hinterher, vor allem in Bezug auf die industrielle Entwicklung
und den Export. Technischer Fortschritt und Investitionen wurden von der gespannten
politischen Lage behindert. Der verfassungsrechtliche und politische Aufbau der
Habsburgermonarchie schloss die Möglichkeit aus, die besonderen wirtschaftlichen Interessen
den allgemeinen Sicherheitsbedürfnissen des Reichs unterzuordnen. Es mehrten sich die
Stimmen im Reich, die eine radikale Veränderung anstrebten, und Militärkreise forderten
einen Präventivkrieg gegen Serbien und Italien. Dabei stand das Ende der Monarchie deutlich
vor Augen, sodass Kaiser Karl I. 1914 gesagt haben soll: "Wenn die Monarchie schon
zugrunde gehen muss, soll sie wenigstens anständig zugrunde gehen." Der Erste Weltkrieg
beschleunigte den Prozess der Auflösung. Am 11. November 1918 zog sich Karl I. von
jeglichen Staatsgeschäften zurück. Damit war die Herrschaft des letzten Monarchen aus dem
Hause Habsburg beendet. Am Tag darauf rief die Provisorische Nationalversammlung in Wien die
Republik Deutschösterreich aus. Da die Entscheidungsgewalt über den Beitritt der Gebiete
nicht gegeben war, erwies sich das Staatskonzept jedoch als nicht realisierbar. In den
Pariser Vorortverträgen 1919 und 1920 wurden die Gebietsabtretungen Österreich-Ungarns
offiziell festgelegt und die Territorien der Nachfolgestaaten definiert.
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Zerfall der Habsburgermonarchie 1918
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Recommended quotation
Zerfall der Habsburgermonarchie 1918, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', keyword no. 28015, URL: www.pacelli-edition.de/en/Keyword/28015. Last access: 17-06-2025.