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                        Die Soziale Kommission kam Mitte Juni 1912 am Rande der Generalversammlung des
        Bonifatiusvereins in Hildesheim zu einer Aussprache zusammen und
        erarbeitete eine Stellungnahme für den Heiligen Stuhl betreffend des Streits um die katholischen
        Arbeitervereine und die Christlichen Gewerkschaften. Darin hielt sie fest, dass es durchaus
        Gegenden in Deutschland gebe, in denen das Berliner Konzept der katholischen Arbeitervereine
        greife, aber die Frage nach der Zweckmäßigkeit und der Aussicht auf Erfolg müsse bei der
        Abwägung, welche der beiden "zulässigen Organisationen" an welchem Ort gefördert werden
        solle, Priorität haben. Die Soziale Kommission stellte fest, dass die Leitlinien der
        Bischofskonferenz von Dezember 1910 bis auf die Forderung, sich nicht mehr gegenseitig zu
        verketzern, weitestgehend befolgt worden waren. Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass die
        völlige Bewegungs- und Organisationsfreiheit ähnlich wie für das Zentrum auch für die
        Christlichen Gewerkschaften zu gelten habe. "Solche Praxis ist durchaus klug und genügt den
        kirchlichen Anforderungen. Daß interkonfessionelle Vereinigungen sich geradezu 'Weisungen'
        vom katholischen Hirtenamte erbitten, ist weder notwendig noch für die Stellung im
        Gesamtgebilde der weltlichen Vereinigungen unseres Landes heilsam für die Kirche, würde
        vielmehr der Ausgangspunkt endloser Angriffe, Entstellungen, Verdächtigungen und Konflikte
        im Konkurrenzkampfe der Parteien, auch der Anlaß zu schlimmen Vorwürfen gegen die kirchliche
        Autorität bei ungünstigem Ausgange von Aktionen werden." Da der Episkopat die Christlichen
        Gewerkschaften wegen ihres interkonfessionellen Charakters nicht approbieren könne, schlug
        die Kommission vor, dieses Problem nach kirchlicher Tradition stillschweigend zu übergehen.
        Nach der Versicherung, dass die Christlichen Gewerkschaften weder die Ideen der
        Sozialdemokratie verbreiteten noch dem konfessionellen Indifferentismus Vorschub leisteten,
        formulierte die Soziale Kommission ihren Wunsch gegenüber dem Heiligen Stuhl eindeutig:
        "Wenn also eine Approbation der Christl. Gewerkschaften weder beabsichtigt, noch erwartet
        wird, so dürfte doch auch zu Schritten gegen diese Veranlassung nicht vorliegen."  
                        
                             
                        
                             
                        
                             
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    Fuldaer Bischofskonferenz, Soziale Kommission, Votum vom 18. Juni 1912
Quellen
Zum Gewerkschaftsstreit. Meinungsäußerung der Sozialen Kommission vom 18. Juni
            1912; AAV, Arch. Nunz. Monaco 258, fasc. 1, fol. 94r-99r.
                        Literatur
BRACK, Rudolf, Deutscher Episkopat und Gewerkschaftsstreit 1900-1914 (Bonner Beiträge
            zur Kirchengeschichte 9), Köln / Wien 1976, S. 215-225.
                            HINKEL, Sascha, Adolf Kardinal Bertram. Kirchenpolitik im Kaiserreich und in der
            Weimarer Republik (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 117),
            Paderborn 2010, S. 76. 
                        Empfohlene Zitierweise
Fuldaer Bischofskonferenz, Soziale Kommission, Votum vom 18. Juni 1912, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 4068, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/4068. Letzter Zugriff am: 31.10.2025. 
                    