Diplomatischer Erfolg Cerrettis

Cerretti wurde 1919 vom Heiligen Stuhl nach Paris gesandt, um an den Friedensgesprächen teilzunehmen, was ihm allerdings maßgeblich durch den Einfluss Italiens versagt wurde. In dieser Zeit konnte er jedoch die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen des Heiligen Stuhls mit Frankreich vorbereiten, die im Mai 1921 vollzogen wurde. Nuntius in Paris wurde Cerretti selbst.
Analyse
An dieser Stelle scheint deutlich die Konkurrenzsituation zwischen Pacelli und Cerretti um die Gunst der Vorgesetzten durch. Cerretti hatte beim Antritt Pacellis als Nuntius in München das Amt des einflussreichen Sekretärs für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten von diesem übernommen, bevor er 1919 Sondergesandter in Paris wurde. Zwar scheiterte Cerretti hierbei eigentlich, da er nicht zu den Hauptverhandlungen zugelassen wurde, doch feierte er mit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Frankreich einen großen diplomatischen Erfolg, den er in den Augen Pacellis nun als Nuntius in Paris auskosten konnte.
Er selbst hingegen schien die hohen Erwartungen, die ihn in gesetzt worden waren - es sei daran erinnert, dass Benedikt XV. ihn persönlich zum Erzbischof geweiht hatte - nicht erfüllen zu können, denn im siebten Jahr als Nuntius in München konnte Pacelli nur eine durchwachsene Bilanz vorweisen. Die Friedensinitiative 1917 war ein Schlag ins Wasser gewesen, er war Anfang 1919 in die Kritik geraten, weil er München während der Revolution verlassen hatte, und der Abschluss des Konkordats mit Bayern, für das er sich so sehr als Beispielkonkordat eingesetzt hatte, zog sich mittlerweile über Jahre hin. Bis er die 1920 neu gegründete Nuntiatur in Berlin nicht tatsächlich permanent besetzte, was erst nach dem Abschluss des Konkordats mit Bayern geschehen sollte, blieb sein einziger nennenswerter diplomatischer Erfolg unvollendet. Pacelli sah Anfang 1924 seine Gunst bei Kardinalstaatssekretär Gasparri und Papst Pius XI. schwinden, als er sich mit deren massiver Kritik über seine Amtsführung konfrontiert sah (siehe Dokument Nr. 10773 und Nr. 13798).
Die weiteren Karriereschritte schienen für Pacelli damit in weite Ferne zu rücken. Schließlich war er für die Nuntiatur in Berlin vorgesehen und die Chance auf eine baldige erfolgreiche Rückkehr nach Rom, um dort zum Kardinal kreiert zu werden, standen Mitte der 1920er Jahre schlecht. Cerretti hingegen empfing 1925 den Purpur und hatte Pacelli damit auf der Karriereleiter vorerst überholt.
Literatur
Cerretti, Bonaventura; Biographie Nr. 3032.
Diplomatische Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Frankreich; Schlagwort Nr. 35.
Empfohlene Zitierweise
Diplomatischer Erfolg Cerrettis, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1160, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1160. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 18.09.2015.
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