TEI-P5
In den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution 1917 etablierte sich in Russland
eine in Opposition zur Patriarchatskirche stehende neue Konfession. Am 22. Mai 1922
wurde die sogenannte "Lebendige Kirche" im Stil einer politischen Organisation gegründet.
Sie knüpfte an frühere Strömungen in der russischen Kirche an und richtete sich gegen die
bestehende Hierarchie. Zum Reformprogramm gehörten eine zentralere Rolle der Laien im
kirchlichen Alltag, auch bei Predigten, eine Reduzierung des Prunks und die Etablierung der
russischen Volkssprache im Gottesdienst. Vom 29. April bis zum 9. Mai 1923 fand in
Moskau, gemeinsam mit anderen oppositionellen religiösen Gruppen, eine Synode der Bewegung
unter dem Namen "Zweites allrussisches Landeskonzil der orthodoxen Kirche" statt, in der
Patriarch Tichon für abgesetzt erklärt wurde und sich ein "Oberster Kirchenrat"
konstituierte. Weitere Reformen aus dem Programm der "Lebendigen Kirche" in den Bereichen
Eheschließung und Säkularisierung von Ordensgemeinschaften wurden angenommen.
Die Patriarchatskirche, ihres spirituellen Führers beraubt, befürchtete aufgrund der raschen Ausbreitung der Bewegung ein Kirchenschisma. Tatsächlich wurden die Beschlüsse der Synode aber nie angenommen und mangels Rückhalt in den Gemeinden zerfiel die "Lebendige Kirche" schon im Laufe des Jahres 1924 und verschwand trotz der Erfolge in den ersten Jahren in der Bedeutungslosigkeit.
Der Bewegung wurde eine Nähe zum bolschewistischen System nachgesagt. Allerdings war auch die "Lebendige Kirche" von der antiklerikalen Politik Sowjetrusslands betroffen, wenn ihr auch, vorrangig aufgrund der oppositionellen Haltung zum Patriarchat, vereinzelte Sympathien entgegengebracht wurden. Eine Unterstützung der Bewegung von Regierungsseite ist jedoch nicht nachweisbar.
Online seit 24.06.2016, letzte Änderung am 25.04.2017. Als PDF anzeigen
Zweites allrussisches Landeskonzil der orthodoxen Kirche vom 29. April bis zum 9. Mai 1923
Die Patriarchatskirche, ihres spirituellen Führers beraubt, befürchtete aufgrund der raschen Ausbreitung der Bewegung ein Kirchenschisma. Tatsächlich wurden die Beschlüsse der Synode aber nie angenommen und mangels Rückhalt in den Gemeinden zerfiel die "Lebendige Kirche" schon im Laufe des Jahres 1924 und verschwand trotz der Erfolge in den ersten Jahren in der Bedeutungslosigkeit.
Der Bewegung wurde eine Nähe zum bolschewistischen System nachgesagt. Allerdings war auch die "Lebendige Kirche" von der antiklerikalen Politik Sowjetrusslands betroffen, wenn ihr auch, vorrangig aufgrund der oppositionellen Haltung zum Patriarchat, vereinzelte Sympathien entgegengebracht wurden. Eine Unterstützung der Bewegung von Regierungsseite ist jedoch nicht nachweisbar.
Literatur
ONASCH, Konrad, Grundzüge der russischen Kirchengeschichte (Die Kirche in ihrer
Geschichte M 1), Göttingen 1967, S. 130 f.
PETTINAROLI, Laura, La politique russe du Saint Siège (1905-1939) (Bibliothèque des
Écoles françaises d'Athènes et de Rome 367), Paris 2015, in: books.openedition.org (Letzter Zugriff am: 13.03.2017).
PITIRIM (Hg.), Die russische orthodoxe Kirche (Die Kirchen der Welt 19), Berlin / New
York 1988, S. 80-87.
ROSLOF, Edward E., Red Priests. Renovationism, Russian Orthodoxy, and Revolution,
195-1946, Bloomington 2002, S. 74-109.
Empfohlene Zitierweise
Zweites allrussisches Landeskonzil der orthodoxen Kirche vom 29. April bis zum 9. Mai 1923, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1361, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1361. Letzter Zugriff am: 18.06.2025.