Deutschnationale Volkspartei (DNVP)

Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) wurde am 24. November 1918 gegründet und vereinigte die konservativen Parteien des Kaiserreichs (Deutschkonservative Partei, Freikonservative Partei, Deutschvölkische Partei, Christlich-Soziale Partei und Deutsche Vaterlandspartei). Hinzu kamen Mitglieder antisemitischer und völkischer Vereinigungen wie dem "Alldeutschen Verband". Später entwickelten sich auch enge Beziehungen zum "Stahlhelm". Bedeutende Vertreter der DNVP waren u.a. Wolfgang Kapp und Alfred Hugenberg.
Die DNVP war seit ihrer Gründung eine Partei des rechten RandeS. Sie trat für eine monarchische Staatsform ein und bekannte sich zu den gesellschaftlichen Grundlagen und Werten des Kaiserreiches, zu Nationalismus und AntiparlamentarismuS. Darüber hinaus vertrat sie massiv die Interessen von Industrie und Landwirtschaft. Schließlich diente auch der Antisemitismus der Integration der heterogenen Anhängerschaft.
Die Wähler der DNVP kamen vor allem aus den traditionell konservativen Hochburgen in Ostelbien, aber auch aus dem städtischen Kleinbürgertum des deutschen Westens und SüdenS. Die Partei war in protestantischen Gebieten stark verankert und erwies sich daneben für konservative Katholiken, insbesondere aus dem schlesischen und westfälischen Adel, als attraktiv. Diese sahen ihre Interessen durch die die Weimarer Republik tragende Zentrumspartei nicht mehr vertreten. Die einigende Klammer "Katholizismus", mit der die unterschiedlichen sozialen und gesellschaftlichen Schichten innerhalb der Zentrumspartei seit ihrer Gründung verbunden waren, hatte sich in der Weimarer Republik gelöst. Im August 1920 wurde unter dem Vorsitz des Freiherrn von Landsberg, eines westfälischen Adligen, der "Reichs-Ausschuss der Katholiken in der DNVP" gegründet. Er hatte das Ziel, eine überkonfessionelle christlich-konservative Volkspartei zu verwirklichen. Der Reichskatholikenausschuss war ein Dorn im Auge der Zentrumspartei und brachte die Uneinigkeit des Katholizismus in politischen Fragen deutlich zum Ausdruck. Er zerbrach letzten Endes am Streit um die Position der DNVP zum Preußenkonkordat 1929, dem die Partei ihre Zustimmung im preußischen Landtag verweigerte.
Bei der Verfassunggebenden Nationalversammlung errangen die Deutschnationalen auf Anhieb 10,3 Prozent der Stimmen, bei den ersten Reichstagswahlen 1920 schon 15,1 Prozent. Dieser kontinuierliche Anstieg hielt bis zum Ende der zwanziger Jahre an. Den Höhepunk ihres Erfolges erreichte die DNVP bei den Reichstagswahlen am 4. Mai 1924 mit 19,5 Prozent und am 7. Dezember 1924 mit 20,5 Prozent. Am 20. April 1928 konnte sie noch 14,2 Prozent für sich verbuchen.
Die DNVP schwankte während der Weimarer Republik zwischen Fundamentalopposition und begrenzter Mitarbeit in Staat und Parlament. Zunächst verhielten sich die Deutschnationalen totaloppositionell. So unterstützten sie den "Kapp-Lüttwitz-Putsch" 1920 – Wolfgang Kapp war Vorstandsmitglied der DNVP –, und äußerten Sympathie für den "Hitler-Putsch" 1923. Mit zunehmender Konsolidierung der Republik jedoch beteiligten sich die Deutschnationalen auch an Reichsregierungen. Zwar war das Selbstverständnis der DNVP antiparlamentarisch, die Partei aber zur Vertretung der Interessen ihrer Anhängerschaft genötigt, die parlamentarischen Spielregeln zu akzeptieren. Dieser innerparteiliche Widerspruch entbrannte 1924 in voller Schärfe. Größter Streitpunkt war die von Industrie und Landwirtschaft präferierte Zustimmung zum Dawes-Plan. Nach der Verabschiedung des Plans, dem auch ein Teil der DNVP-Fraktion zustimmte, entspannte sich das Verhältnis zu den anderen bürgerlichen Parteien allmählich. So war die DNVP im Rahmen des "Bürgerblocks" zusammen mit der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), der Deutschen Zentrumspartei, der Bayerischen Volkspartei (BVP) und der Deutschen Volkspartei (DVP) von Januar bis Oktober 1925 am Kabinett Luther I und von Februar 1927 bis Juni 1928 am Kabinett Marx IV beteiligt. Nachdem dieser Kurs aber zu großen Stimmverlusten bei der Reichstagswahl 1928 führte, wurde er mit der Wahl Hugenbergs vom rechten Parteiflügel zum Vorsitzenden abrupt beendet. Von nun an verfolgte die DNVP wieder eine strikt systemfeindliche Oppositionspolitik.
In den drei Reichstagswahlen ab 1930 kam die DNVP nicht mehr über 10 Prozent der Stimmen. Sie beteiligte sich an den Präsidialkabinetten, kooperierte mit den Nationalsozialisten und wurde zu deren Steigbügelhalter auf dem Weg an die Macht.

Beteiligung an der Reichsregierung 1920-1933:
Kabinett Ministerposten
Kabinett Luther I (16. Januar 1925 bis 20. Januar 1926) Inneres (Martin Schiele bis 29. Oktober 1925), Finanzen (Otto von Schlieben bis 29. Oktober 1925), Wirtschaft (Albert Neuhaus bis 29. Oktober 1925)
Kabinett Marx IV (1. Februar 1927 bis 28. Juni 1928) Vizekanzler, Justiz (Oskar Hergt), Inneres (Walter von Keudell), Ernährung und Landwirtschaft (Martin Schiele), Verkehr (Wilhelm Koch)
Kabinett Brüning I (31. März 1930 bis 9. Oktober 1931) Ernährung und Landwirtschaft (Martin Schiele, ab 22. Juli 1930 Christlich-Nationale Bauern- und Landvolkpartei (CNBL))
Kabinett Papen (1. Juni 1932 bis 3. Dezember 1932) Inneres (Wilhelm Freiherr von Gayl), Justiz (Franz Gürtner), Ernährung und Landwirtschaft (Magnus Freiherr von Braun)
Kabinett Schleicher (3. Dezember 1932 bis 30. Januar 1933) Justiz (Franz Gürtner), Ernährung und Landwirtschaft (Magnus Freiherr von Braun)
Kabinett Hitler (ab 30. Januar 1933) Wirtschaft (Alfred Hugenberg bis 29. Juni 1933), Justiz (Franz Gürtner bis 29. Januar 1941), Ernährung (Alfred Hugenberg, bis 29. Juni 1933)
Quellen
WESTARP, Kuno Graf von, Konservative Politik im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, bearb. von Friedrich Freiherr HILLER VON GAERTRINGEN, Düsseldorf 2001.
Literatur
ASMUSS, Burkhard, Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 1918-1933, in: www.dhm.de (Letzter Zugriff am: 07.05.2012).
BÜTTNER, Ursula, Weimar. Die überforderte Republik 1918-1933, in: GEBHARDT, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 18: 20. Jahrhundert (1918-2000), Stuttgart 102010, S. 171-767, hier 328-335.
GOLOMBEK, Dieter, Die politische Vorgeschichte des Preußenkonkordats (1929) (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 4), Mainz 1970, S. 109.
HERTZMAN, Lewis, DNVP. Right-Wing Opposition in the Weimar Republic 1918-1924, Lincoln, Nebraska 1963.
HILLER VON GAERTRINGEN, Friedrich, Die Deutschnationale Volkspartei in der Weimarer Republik, in: Historische Mitteilungen 9,2 (1996), S. 169-188.
HINKEL, Sascha, Adolf Kardinal Bertram. Kirchenpolitik in Kaiserreich und Weimarer Republik (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 117), Paderborn u. a., S. 122, Anm. 64.
HOLZBACH, Heidrun, Das "System Hugenberg". Die Organisation bürgerlicher Sammlungspolitik vor dem Aufstieg der NSDAP 1918-1928, Stuttgart 1980.
HÖMIG, Herbert, Das preußische Zentrum in der Weimarer Republik (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 28), Mainz 1979, S. 93, 195 f.
KIISKINEN, Elina, Die Deutschnationale Volkspartei in Bayern (Bayerische Mittelpartei) in der Regierungspolitik des Freistaats während der Weimarer Zeit (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 145), München 2005.
KOLB, Eberhard, Die Weimarer Republik (Oldenbourg Grundrisse der Geschichte 16), München 72009, S. 12, 17, 42 f., 69, 78, 80-82, 84-88, 121 f., 127-130, 133 f., 138 f., 145.
LIEBE, Werner, Die Deutschnationale Volkspartei 1918-1924, Düsseldorf 1956.
MERGEL, Thomas, Das Scheitern des deutschen Tory-Konservatismus. Die Umformung der DNVP zu einer rechtsradikalen Partei, in: Historische Zeitschrift 276 (2003), S. 323-368.
OHNEZEIT, Maik, Zwischen "schärfster Opposition" und dem "Willen zur Macht". Die Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP) in der Weimarer Republik 1918-1928 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 158), Düsseldorf 2011, S. 117 f.
RUGE, Wolfgang, Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 1918-1933, in: FRICKE, Dieter (Hg.), Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände (1789-1945), Bd. 2, Leipzig 1983, S. 476-528.
RUPPERT, Karsten, Interaktionen von politischem Katholizismus, Kirche und Vatikan während der Weimarer Republik, in: WOLF, Hubert (Hg.), Eugenio Pacelli als Nuntius in Deutschland. Forschungsperspektiven und Ansätze zu einem internationalen Vergleich (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 121), Paderborn u. a., S. 213-246, hier 233.
STRIESOW, Jan, Die Deutschnationale Volkspartei und die Völkisch-Radikalen, 2 Bde., Frankfurt am Main 1981.
STUPPERICH, Amrei, Volksgemeinschaft oder Arbeitersolidarität. Studien zur Arbeitnehmerpolitik in der deutschnationalen Volkspartei (1918-1933), Göttingen / Zürich 1982.
TERHALLE, Maximilian, Deutschnational in Weimar. Die politische Biographie des Reichstagsabgeordneten Otto Schmidt(-Hannover) 1888-1971, Köln u. a. 2009.
THIMME, Annelise, Flucht in den Mythos. Die Deutschnationale Volkspartei und die Niederlage von 1918, Göttingen 1969.
TRIPPE, Christian F., Konservative Verfassungspolitik 1918-1923. Die DNVP als Opposition in Reich und Ländern (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 105), Düsseldorf 1995.
VOGEL, Wieland, Katholische Kirche und nationale Kampfverbände in der Weimarer Republik (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 48), Mainz 1989, S. 125.
WEISSMANN, Karlheinz, Deutschnationale Volkspartei (DNVP), in: SCHRENCK-NOTZING, Caspar von, Lexikon des Konservatismus, Graz / Stuttgart 1996, S. 131-132.
Empfohlene Zitierweise
Deutschnationale Volkspartei (DNVP), in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 4001, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/4001. Letzter Zugriff am: 06.12.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 25.03.2013.
Als PDF anzeigen