Rheinisch-Westfälischer Verein katholischer Edelleute

Der "Rheinisch-Westfälische Verein katholischer Edelleute" wurde 1861 als "Privatverein", als lockere Vereinigung, die noch keinen Namen trug, gegründet. Der Verein, dessen Mitglieder aus den alten domkapitularischen Familien des ehemaligen Hochstiftes Münster stammten, trug zunächst eher den Charakter einer laikalen Sodalität. Einzig verbindlich waren das Bekenntnis zur Treue zur katholischen Kirche, die Befolgung des Tridentinischen Glaubensbekenntnisses sowie das Leben gemäß den Kirchengesetzen.
Nach längeren Diskussionen, ob er sich dem restriktiven preußischen Vereinsrecht unterwerfen solle, trat der Verein 1869 als "Verein katholischer Edelleute unter dem Schutz der unbefleckt empfangenen Allerheiligsten Jungfrau Maria" an die Öffentlichkeit. Er richtete sich an den katholischen Adel ganz Deutschlands und der Habsburgermonarchie. Der Anteil westfälischer Adeliger blieb aber bis 1918 stets bei circa 50 %. 1916 wurden 135 Mitglieder gezählt. Die Vereinssatzung von 1869 schloss an die Prinzipien des Privatvereins an. Er verstand sich nicht als politischer Verein, aber seine Mitglieder waren vor allem in der Zentrumspartei politisch engagiert. Das Verhältnis wurde aber nach dem Ende des Kulturkampfes immer gespannter, insbesondere anlässlich der Sozialen Frage. Denn die Mitglieder blieben stets konservativ, um die Jahrhundertwende mit integralistischem und antimodernistischem Einschlag. Dies bedeutete aber nicht, dass sie sich nicht zunehmend in das wilhelminische Deutschland und seine protestantisch-adelige Gesellschaft integrierten.
Die meisten Mitlieder traten im Ersten Weltkrieg für begrenzte Annexionen und gegen eine Wahlrechtsreform in Preußen ein. Mit Georg von Hertling wurde sogar ein Vereinsmitglied Reichskanzler. Die Politik der Zentrumspartei während des Krieges und der Novemberrevolution führten allerdings zur endgültigen Entfremdung von der Partei. Die Novemberrevolution bildete in den folgenden Jahren einen konstanten negativen Bezugspunkt für die meisten Vereinsmitglieder. Die Weimarer Reichsverfassung wurde wegen der Volkssouveränität, der Abschaffung der Standesvorrechte und des Schulkompromisses abgelehnt. Die Sicht auf die neue Gesellschaftsordnung als Werk von Juden und Freimaurern war im Verein weit verbreitet.
1919 formierte sich der Verein als "Verein katholischer Edelleute, Abteilung Münster, im Hauptverein der katholischen Edelleute" neu. Bald darauf wurde er in "Rheinisch-Westfälischer Verein katholischer Edelleute" umbenannt. Zwar war weiterhin ein Politikverbot in der Satzung festgeschrieben, aber die Politisierung der Mitglieder, die schon im Kaiserreich begonnen hatte, dynamisierte sich in der Republik, was spätestens ab 1923 zu starken Spannungen führte. Es kam sogar zu offener Kritik Pius XI. anlässlich seiner als frankreichfreundlich wahrgenommenen Haltung zur Ruhrbesetzung 1923. Auch der Episkopat wurde kritisiert, weil er die Zusammenarbeit des Zentrums mit der Sozialdemokratie nicht verurteilte. Viele Mitglieder näherten sich dem Reichskatholikenausschuss der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) an.
Die Verunsicherung des Adels führte zu einem verstärkten Zulauf zum Verein: 1922 zählte man bereits 231 Mitglieder. Unter ihnen befand sich auch Clemens August Graf von Galen, der spätere Bischof von Münster. Im Dezember 1919 wurde auch ein "Verein katholischer Edelfrauen" in Münster gegründet, der im Jahre 1920 bereits 270 Mitglieder hatte. Beide Vereine waren überregional mit anderen Adelsvereinen über den 1919 gegründeten "Hauptverein katholischer Edelleute" organisiert, der 1921 vom "Hauptausschuss katholischer Deutscher Adelsgenossenschaften" abgelöst wurde. Das Verhältnis zur protestantisch dominierten "Deutschen Adelsgenossenschaft" dagegen blieb stets gespannt.
Das Verhältnis zum Nationalsozialismus (NS) war schon in der Republik ein eminenter Konfliktgrund im Verein. Entschiedenen Anhängern standen Mitglieder gegenüber, die die Verurteilung des NS durch den Heiligen Stuhl rigoros auslegten. 1936 trat gar Clemens August Graf von Galen aus, was den Verein tief erschütterte. Der Verein wurde in dieser Zeit nicht aufgelöst, aber auch nicht formell gleichgeschaltet. Er verlor allerdings viele Mitglieder, so dass die Anhänger des Regimes klar dominierten.
Der Verein existiert bis heute. 1971 vereinigte er sich mit dem "Verein der katholischen Edelfrauen" zum "Verein katholischen Adels Rheinland und Westfalen".
Quellen
Archive in Nordthein-Westfalen, Vereinigte Westfälische Adelsarchive, Adelsarchive, Dar. – Darfeld, Dar.A – Familie, Lehnsarchiv (Dar.A.III), Dar.A.V.m – Archiv Darfeld, Nachlass des Erbdrosten Clemens Heidenreich (1832-1923), in: www.archive.nrw.de (Letzter Zugriff am: 02.10.2014).
Literatur
CONRAD, Horst, Stand und Konfession. Der Verein der katholischen Edelleute. Teil I: Die Jahre 1857-1918, in: Westfälische Zeitschrift 158 (2008), S. 125-186.
CONRAD, Horst, Stand und Konfession. Der Verein der katholischen Edelleute. Teil II: Die Jahre 1918-1949, in: Westfälische Zeitschrift 159 (2009), S. 91-154.
Empfohlene Zitierweise
Rheinisch-Westfälischer Verein katholischer Edelleute, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 408, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/408. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.10.2013, letzte Änderung am 18.09.2015.
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