Besetzung der Kanonikate in Bayern

Die Besetzung der Kanonikate bzw. der Domkapitel hat ähnlich der Besetzung der Bischofsstühle eine wechselvolle Geschichte hinter sich, die durch die Verflechtungen von Staat und Kirche gekennzeichnet war. Die auf den Regelungen des Mittelalters und des Konzils von Trient beruhende Verfassung der Reichskirche hatte bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts die Besetzung der Kanonikate geregelt. Die Kanoniker als Angehörige des Kapitels der jeweiligen Bischofs- bzw. Domkirche wurden vom Bischof bestellt. Diese Situation änderte sich mit der Säkularisation von 1803 und dem Ende der Reichskirche 1806.
In Bayern wurde der Fortbestand der Kirche und deren Verschränkung mit dem Staat im Konkordat von 1817 festgeschrieben. Hierin wurden der Erhalt der Domkapitel und deren personelle Beschränkung auf 12 Kapitulare (Art. III) festgeschrieben. Zur Auflage für die Bestellung zum Kanoniker eines Domkapitels wurden in Art. X Abs. 2 die bayerische Staatsangehörigkeit sowie die seelsorgerische und theologische Ausbildung gemäß dem Konzil von Trient bestimmt. Dem König kam die Besetzung der vakanten Kanonikate in den geraden Monaten zu, während dem Ortsbischof und dem Domkapitel die ungeraden (auch päpstlich genannten) Monate zukamen. Bischof und Domkapitel hatten sich bei der Entscheidung abzuwechseln (Art. X Abs. 1). Dem Staat war damit ein weiteres Instrument zur Einflussnahme auf die kirchlichen Belange gegeben.
Die Situation änderte sich ab 1919, da der republikanisch-demokratische Freistaat Bayern ein religiös unabhängiges Gemeinwesen darstellte, das der Kirche die Verwaltung ihrer eigenen Belange überließ. Dies entsprach auch den Vorstellungen des CIC/1917. Dazu wurde unter Federführung Pacellis ein neues Konkordat verabschiedet. Pacelli gelang es im 1924 unterzeichneten Staatskirchenvertrag, die Besetzung der Kanonikate wieder in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Kirche zu überführen: Gemäß Art. XIV sollten Ortsbischof und Domkapitel im Wechsel die vakanten Stellen besetzen. Dem Staat, der weiterhin für die Dotation der Domkapitel aufkam, wurde ein sogenanntes Erinnerungsrecht zugestanden, das die Möglichkeit der Vorbringung von etwaigen Bedenken umfasste.
Literatur
AMMERICH, Hans (Hg.), Das Bayerische Konkordat 1817, Weißenhorn 2000, S. I-VIII.
HERMES, Christian, Konkordate im vereinigten Deutschland, Ostfildern 2009, S. 93-102.
EICHMANN, Eduard / MÖRSDORF, Klaus, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, Bd. 1: Allgemeines und Personenrecht, Paderborn 61951, S. 437-449.
Empfohlene Zitierweise
Besetzung der Kanonikate in Bayern, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 62, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/62. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 10.03.2014.
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