Reichstag, 1920-1924
Die Sozialdemokraten (SPD) stellten bei 21,7 Prozent der Stimmen und 102 von insgesamt 459 Mandaten weiterhin die größte Fraktion, doch mussten sie mit 16,2 Prozent bzw. 63 Mandaten deutliche Verluste hinnehmen. Auf das Zentrum (Z) entfielen 64 Mandate bei 13,6 Prozent der Stimmen, was einem Verlust von 27 Mandaten bzw. 6,1 Prozent entsprach. Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) kam auf 39 Mandate bei 8,3 Prozent der Stimmen, wobei sie mit 10,2 Prozent bzw. 36 Mandaten fast die Hälfte ihrer Sitze verlor.
Die Oppositionsparteien Deutschnationale Volkspartei (DNVP) mit 71 Mandaten bei 15,1 Prozent der Stimmen und einem Gewinn von 27 Mandaten, Deutsche Volkspartei (DVP) mit 65 Mandaten bei 13,9 Prozent der Stimmen und einem Gewinn von 46 Mandaten sowie die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) mit 84 Mandaten bei 17,9 Prozent der Stimmen und einem Gewinn von 62 Mandaten hatten dagegen große Zuwächse zu verzeichnen. Die KPD konnte mit 4 Mandaten bei 2,1 Prozent der Stimmen noch keine Bedeutung erlangen.
Die katholische Bayerische Volkspartei (BVP), die sich kurz zuvor vom Zentrum abgespalten hatte und diesem Stimmverluste zufügte, kam auf 4,4 Prozent der Stimmen und 21 Mandate. Die Wirtschaftspartei bzw. der Bayerische Bauernbund (0,8 Prozent, 4 Mandate) und die Deutsch-Hannoversche Partei (1,1 Prozent, 5 Mandate) zogen ebenfalls in den Reichstag ein. Sonstige Parteien erzielten mit nur 1 Prozent der stimmen kein Mandat.
Da die Stärke der republikfeindlichen Flügelparteien in Verbindung mit der permanenten wirtschaftlichen und politischen Krise des Reichs keine stabile Regierungsbildung erlaubte, war die Legislaturperiode durch wechselnde Koalitionen geprägt. Am 25. Juni 1920 wurde zunächst Konstantin Fehrenbach (Z) zum Reichskanzler gewählt, dessen Regierung aus Z, DVP und DDP bestand. Sie zerbrach an der Weigerung der DVP, das Londoner Ultimatum zu akzeptieren. Ihr folgte am 10. Mai 1921 das erste Minderheitskabinett Joseph Wirths (Z) aus SPD, Z, und DDP sowie nach der Volksabstimmung in Oberschlesien am 26. Oktober 1922 das zweite Kabinett Wirths ohne die DDP. Nach dem Zusammenschluss von USPD und MSPD im Herbst 1922 hatte seine Regierung zwar wieder eine numerische Mehrheit. Jedoch führte die Wiedervereinigung zu einem Linksruck in der SPD und die bürgerlichen Mittelparteien wollten sich in Konsequenz wieder stärker von der Linken abgrenzen. Am 22. November folgte Wirth der parteilose Wilhelm Cuno als neuer Reichskanzler mit einer Koalition aus DVP, Z, DDP und BVP. Der politisch unerfahrene Cuno scheiterte mit seinem "Kabinett der Persönlichkeiten" auf ganzer Linie. Abgelöst wurde seine Regierung am 13. August 1923 durch eine Große Koalition (SPD, DDP, Z, DVP) unter Gustav Stresemann (DVP), die jedoch bald an den großen Differenzen zwischen den Regierungsparteien zerbrach. Stresemann bildete sein Kabinett am 6. Oktober um und regierte in Einverständnis mit Reichspräsident Friedrich Ebert weitgehend ohne das Parlament mit Hilfe von Ermächtigungsgesetzen. Die letzte Regierung der Legislaturperiode war seit dem 30. November 1923 das erste Kabinett Wilhelm Marx' (Z) aus DVP, Z und DDP. Die Wahlen zum zweiten Reichstag fanden schließlich am 4. Mai 1924 statt.
Literatur
BÜTTNER, Ursula, Weimar. Die überforderte Republik. 1918-1933, in: BENZ, Wolfgang
(Hg.), Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 18: 20. Jahrhundert
(1918-2000), Stuttgart 102010, S. 171-767, hier 375-379.
FALTER, Jürgen / LINDENBERGER, Thomas / SCHUMANN, Siegfried, Wahlen und Abstimmungen
in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten 1919-1933 (Statistische
Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1986, S. 41-45.
KOLB, Eberhard, Die Weimarer Republik (Oldenbourg Grundriss Geschichte 16), München
72009, S. 42 f., 316.
Empfohlene Zitierweise
Reichstag, 1920-1924, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 18118, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/18118. Letzter Zugriff am: 06.06.2023.
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