Dokument-Nr. 4087
Pacelli, Eugenio
an Gasparri, Pietro
Berlin, 08. Februar 1926
Regest
Pacelli informiert, dass er dem Freiburger Erzbischof Fritz weisungsgemäß seinen Vorschlag zur Ernennung des Domdekanats mitteilte, nämlich dass der Heilige Stuhl der Ernennung durch Fritz für dieses Mal ohne Präjudiz für zukünftige Entscheidungen zustimmt. Der Nuntius übermittelt die Antwort Fritz' im deutschen Original und in italienischer Übersetzung. Darin behauptet der Erzbischof, dass der gegenwärtige Zeitpunkt ungünstig sei, um Verhandlungen mit der badischen Regierung über ein Konkordat aufzunehmen. Dies sei auch die Auffassung des badischen Staatspräsidenten Trunk, des badischen Zentrumsvorsitzenden Schofer und anderer. Pacelli erinnert daran, dass der frühere Freiburger Erzbischof Nörber im Jahr 1920 bereits diese Position vertrat. Dem Nuntius scheint es jedoch, dass trotz der herrschenden Schwierigkeiten mit dem guten Willen des Erzbischofs und der Unterstützung der Zentrumspartei, welche die stärkste Fraktion im badischen Landtag stellt, die Verhandlungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zum Erfolg hätten führen können. Pacelli kritisiert die Tendenz der deutschen Regierungen und auch einiger Bischöfe, den Heiligen Stuhl zu meiden und Fragen zu den Beziehungen zwischen Kirche und Staat direkt untereinander zu lösen. Da der Freiburger Erzbischof letztlich keine Hoffnungen auf ein badisches Konkordat zulässt, hält Pacelli den Zeitpunkt für gekommen, ihm mitzuteilen, dass die Besetzung von kirchlichen Ämtern und Pfründen in seinem Erzbistum zukünftig nach dem gemeinen kirchlichen Recht geregelt werden muss. Die badische Regierung hat seit dem politischen Umsturz von 1918 kein Interesse an einer Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhl gezeigt, der für die Beziehungen von Kirche und Staat zuständig ist. Die Regierung wandte die Bestimmungen der Bulle Dominici gregis custodiam von 1827 - durchaus zugunsten der Kirche - nicht an. Folglich kann sie nach Pacellis Auffassung dem Heiligen Stuhl nach sieben Jahren nicht vorwerfen, dass er die alten Bestimmungen bricht, wenn er nun das gemeine kirchliche Recht für gültig erklärt. Pacelli sieht im Gegensatz zu Fritz keine Gefahr, dass der Staat die in der Bulle Provida solersque von 1827 festgesetzten finanziellen Leistungen aufhebt. Denn diese gehen auf die Säkularisation zurück und werden sowohl durch den Grundsatz der Parität mit den Protestanten als auch durch die Reichsverfassung garantiert. Würde der Heilige Stuhl trotz des Wegfalls der staatlichen Intervention das Domkapitelswahlrecht der Bischöfe und den alten Modus der Ernennung der Domherren zugestehen, würde dies nach Auffassung Pacellis einen sehr gefährlichen Präzedenzfall mit Blick auf Preußen bedeuten. Würde allerdings in Ermangelung eines Konkordats die gemeine kirchliche Recht in Kraft treten, wäre dies ein günstiges Druckmittel, um der preußischen Regierung die Notwendigkeit von Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zu aufzuzeigen. Der Nuntius weist darauf hin, dass Erzbischof Fritz in seinem genannten Schreiben erwähnt, dass er sich - nach Pacellis Wissen ohne die Zustimmung des Heiligen Stuhls - mit der Regierung auf den beiliegenden Gesetzentwurf über die Verwaltung des kirchlichen Erbes einigte. Darin wird die katholische Kirche zumindest in der Theorie nicht als Societas Perfecta anerkannt, sondern sie wird wie jede andere religiöse Gemeinschaft behandelt, die der Autorität des Staates unterliegt. Der Nuntius schließt sich der Einschätzung Fritz' an, dass das Gesetz der Kirche in der Praxis eine größere Freiheit bringen wird als in den anderen deutschen Staaten. Insbesondere ist es in Pacellis Augen besser als das entsprechende preußische Gesetz. Im Postskriptum teilt er mit, dass der badische Ministerpräsident Trunk seinen Besuch am 19. Februar beim Nuntius ankündigte. Er bittet um eine telegraphische Einschätzung des Heiligen Stuhls bis zu diesem Termin.Betreff
Rapporti fra Chiesa e Stato nel Baden
Non appena mi pervenne il venerato telegramma cifrato dell'Eminenza Vostra Reverendissima Nr. 9 del 7 Dicembre s. a., mi diedi premura di significare al Revmo Mons. Arcivescovo di Friburgo


Il sullodato Arcivescovo mi ha risposto colla lettera in data del 30 Gennaio p. p., di cui l'Eminenza Vostra troverà qui unita copia (Allegato I) insieme alla rispettiva traduzione italiana (Allegato II). In essa Mons. Fritz asserisce che il momento attuale non è favorevole per iniziare trattative


5v
del Presidente dello Stato, Sig. Trunk






6r
circa
"il momento attuale", non lascia in realtà alcuna speranza per un futuro Concordato, parmi
subordinatamente esser giunto ormai il tempo di significargli che la provvista degli offici
e dei benefici ecclesiastici




6v
Vicariati in quel Capitolo metropolitano. Non potrebbe
quindi il Governo medesimo accusare la S. Sede di aver rotto la Convenzione
concordataria, se essa, dopo oltre un settennio di vana attesa, dichiara ormai per le
anzidette provviste vigente il ius commune. Quanto alle prestazioni
finanziarie




Se ora invece, prescindendo dal cessato intervento governativo, la S. Sede concedesse che nel Baden, pur senza un nuovo accordo, rimangono in vigore il diritto di elezione capitolare dell'Arcivescovo e l'antico modo di provvista del Decanato, dei Canonicati e dei Vicariati, ciò costituirebbe un pericolosissimo precedente nei riguardi della Prussia

7r
Qualora, al contrario, potesse additarsi
l'esempio del Baden, ove, mancando un nuovo Concordato, tutte le nomine ecclesiastiche
verrebbero puramente e semplicemente ridotte ai termini del diritto comune, ciò sarebbe un
valido mezzo di pressione per mostrare al Governo prussiano
Nella succitata lettera del 30 Gennaio Mons. Fritz riferisce altresì di essersi accordato (almeno per quanto io sappia, senza previa autorizzazione od intesa della S. Sede) col Governo intorno ad un progetto di legge sull'amministrazione del patrimonio ecclesiastico


7v
Praticamente
Mons. Arcivescovo ha diritto di affermare che il progetto in discorso, se verrà
approvato, darà in tale materia alla Chiesa maggior libertà che in qualunque altro Paese
della Germania; in particolare esso è migliore dell'analoga legge emanata
già in Prussia
Chinato umilmente al bacio della Sacra Porpora, con sensi di profondissima venerazione ho l'onore di confermarmi
Di Vostra Eminenza Reverendissima
<P. S. Mi si comunica ora che il summenzionato Presidente dello Stato del Baden, Sig. Trunk, verrà a visitarmi qui in Berlino la mattina del 19 corrente. Sarei profondamente riconoscente all'Eminenza Vostra, se si degnasse di farmi conoscere, prima di quel giorno, per telegrafo la mente della S. Sede circa la questione, che forma oggetto del presente rispettoso Rapporto.>2
Umilissimo Devotissimo Obbligatissimo Servo + Eugenio Arcivescovo di Sardi Nunzio Apostolico

1↑"Pur riconoscendo [...] Chiesa
e Stato" hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, durch eine senkrechte
Linie hervorgehoben; "Ma pur troppo [...] Chiesa e Stato" hds. von unbekannter Hand,
vermutlich vom Empfänger, unterstrichen.
2↑Masch. vom Verfasser eingefügt.
Empfohlene Zitierweise
Pacelli, Eugenio an Gasparri, Pietro vom 08. Februar 1926, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 4087, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/4087. Letzter Zugriff am: 08.02.2025.Verlinkte Schlagwörter
- Badische Landtagswahlen vom 25. Oktober 19251391
- Badische Regierung (1925-11-23 – 1926-11-23) Kabinett Trunk II2029
- Badisches Gesetz über die Verwaltung des Vermögens der Religionsgesellschaften (Kirchenvermögensgesetz) vom 7. April 19271752
- Besetzung der Kanonikate in Freiburg im Breisgau23038
- Besetzung des erzbischöflichen Stuhls von Freiburg im Breisgau 19207060
- Bulle Leos XII. "Ad Dominici gregis custodiam" vom 11. April 1827 und Breve "Re sacra" vom 28. Mai 18272094
- Bulle Pius' VII. "Provida solersque" vom 16. August 18212111
- Deutsche Zentrumspartei in Baden9052
- Ius commune (Kirchenrecht)1753
- Konkordat mit Bayern von 192411169
- Novemberrevolution im Deutschen Reich14013
- Parität13088
- Patronatsrecht in Baden18000
- Preußische Regierung (1925-04-06 – 1932-07-20 / [25.03.1933]) Kabinett Braun III16020
- Preußisches Gesetz zur Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24. Juli 192410097
- Reichsdeputationshauptschluss18110
- Societas perfecta1828
- Staatsleistungen an Religionsgesellschaften in Baden15093
- Verhandlungen über ein Konkordat mit Baden1390
- Verhandlungen über ein Konkordat mit Preußen 1924-192925084
- Verhältnis von Kirche und Staat in Baden1397
- Weimarer Reichsverfassung25009